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Die Kunst zu scheitern

01.04.2021 - Fehlerkultur steht hoch im Kurs. Und das nicht erst seit Corona. Tipps von Ronny Hollenstein.

Kaugummi

 

Die Agilitäts-Prinzipien kennen die Losung „fail fast“. Damit sollen lange Überlegungs- und Planungsphasen verkürzt werden in einer Zeit, in der sich alles sehr schnell ändert. Das Problem: Viele Menschen koppeln ihr Scheitern von frühester Kindheit an mit ihrem Selbstwert und verbinden diesen immer öfter mit Leistungen und nicht damit, wer sie sind und was sie als Menschen ausmacht.

Klarerweise kann man sich nicht in jedem Bereich Fehler leisten. Fluglotsen sollten bei ihrer Arbeit keine Fehler machen – um nur ein Beispiel zu nennen. Aber auch Fluglotsen begleiten nicht nur Flugzeuge sicher durch die Lüfte, sie kooperieren mit Kolleg*innen und Führungskräften - und dort wiederum gibt es keine exakte Feststellung von richtig oder falsch. In Kommunikation und Kooperation gibt es Fehler und Missverständnisse, die ständig bearbeitet und nachhaltig verbessert werden müssen.

 

Die Ziele von anderen

Es beginnt schon bei den Zielen, die wir uns setzen. Sehr häufig übernehmen wir Ziele von anderen, ohne, dass uns das bewusst ist. Unser Unbewusstes arbeitet dann gegen uns. Wenn wir immer wieder am Selben scheitern, sollten wir sehr genau hinschauen, welches Ziel wir uns in welcher Form vorgenommen haben. So genannte Vermeidungsziele – beispielsweise „weniger essen“ oder „sich nicht mehr ärgern“ – sind laut Forschung grundsätzlich zum Scheitern verurteilt, weil unser Unbewusstes auf nichts verzichten möchte. Da unser Unbewusstes auch unsere bewusste Wahrnehmung steuert, sehen wir ständig das, was wir eigentlich vermeiden möchten. Wenn wir dann noch überlastet sind oder emotional werden, ist der Vorsatz nicht mehr zu halten.

Ziele sollten auch ausschließlich in unserem Einflussbereich sein, weil wir sonst scheitern können, ohne dass wir die Verantwortung dafür tragen können.

 

Scheitern verstehen

Am Weg zum Ziel sind Rückschläge völlig normal und können mit dem richtigen Umgang damit sogar sehr wertvoll sein. Eine mögliche Strategie ist folgende: Analysieren Sie die Situation, in der Sie gescheitert sind. Und seien Sie genau bei dieser Analyse: Gab es einen inneren und/oder äußeren Auslöser für das Scheitern? Innere Auslöser könnten beispielsweise innere Unruhe, Müdigkeit oder negative Stimmungen sein. Äußere Auslöser könnten Verhaltensweisen von Menschen, Ablenkungen, Überlastung oder Ähnliches sein. Vielleicht erkennen Sie durch die Analyse der Situation sogar Muster Ihres Scheiterns. Sobald wir ein Muster haben, können wir ein so genanntes Wenn-Dann-Ziel formulieren. Beispiel: Wenn ich mich ärgere (und damit Gefahr laufe, mein Ziel nicht umzusetzen), dann mach ich eine kurze Pause und ein paar Atemübungen, um mich wieder zu beruhigen.

Beachten Sie auch, dass wir, wenn wir gescheitert sind, leider oft dazu neigen, alle unsere Aktivitäten als schlecht zu beurteilen. Sehen Sie aber auch die kleinen Erfolge zum Ziel! Überlegen Sie also immer, was dennoch gut war und was Sie gegebenenfalls wiederholen oder verstärken könnten.

 

Strukturen richtig setzen

Mihály Csíkszentmihályi, der Begründer des Flow-Prinzips, erforschte die Geheimnisse erfolgreich-produktiver Menschen und entdeckte einige Gemeinsamkeiten: Erfolgreich-produktive Menschen sind strukturiert, sie haben z.B. klare Tagespläne und -rhythmen.

Eine weitere wichtige Erkenntnis von Csíkszentmihályi ist, dass produktive Menschen wissen, was sie brauchen, um produktiv zu sein. Wenn Sie Ihre (kleinen) Erfolge analysieren, bekommen Sie eine Idee davon, was Sie brauchen, um auch in Zukunft erfolgreich handeln zu können. Jede*r von uns hat schon tolle Erfolge erlebt. Sie haben Krisen gemeistert, Ziele erreicht, gehen jetzt mit Belastungen vielleicht besser um oder haben etwas Neues gelernt. Denken Sie mal darüber nach, wie Sie das geschafft haben! So erhalten Sie die Erfolgsfaktoren für Ihre nächste, positive Veränderung.

 

Aktiv gegen den inneren Schweinehund

Zu guter Letzt möchte ich Ihnen noch verraten, was das beste Hilfsmittel gegen Ihren inneren Schweinehund ist. Dieser ernährt sich nämlich nur von einer einzigen Sache – und zwar vom Zögern. Wenn Sie mal eine Entscheidung getroffen haben, sollten Sie sofort ins Handeln kommen. Wenn Sie abwarten, fangen Sie an zu zögern und zu zweifeln, und der innere Schweinehund findet sehr gute Ausreden, warum die sinnvolle Handlung doch wieder aufgeschoben werden sollte.

Der vollständige Artikel erschien in der Ausgabe 01/2021 von BUSINESSART. Hier gelangen Sie zum vollständigen Artikel: Die Kunst zu scheitern.

Veröffentlicht am 01.04.21

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